Der Grund ist natürlich ein anderer, aber es wäre zu banal, wenn man einfach nur schreibt: Ich habe für den Quatsch keine Zeit. Ich bin zudem weder in der Lage noch daran interessiert mit mehr als 5-10 Menschen eine dauerhafte soziale Beziehung einzugehen. Dafür brauche ich kein Facebook und ein Smartphone schon gar nicht. Diese Begründung wäre zwar auch wahr aber auch langweilig. Deswegen versuche ich es mal anders, etwas politischer.
Wenn ich mich so schreiben lese, dann frage ich mich: Bin ich eigentlich „antiamerikanisch“? Wer von „Antiamerikanismus“ redet, der meint meistens „anti-US-amerikanisch“. Für viele „Freunde Amerikas“ endet der Kontinent am Grenzzaun nach Mexiko. Ich muss zugeben, außer New Orleans (vor Katrina) habe ich nur einige Flughäfen der USA besucht. Ich kann mir also kein Urteil erlauben. New Orleans war bemerkenswert. Auf den Flughäfen hat man mich ordentlich behandelt. Ich habe auch Bekannte und Studierende aus den USA, über die kann ich mich auch nicht beklagen. Für einen begründeten Anti-US-Amerikanismus fehlen mir einfach die schlechten Beispiele.
Aber halt: Da ist ja noch die US-Außenpolitik, nicht zuletzt gegenüber den anderen Ländern Amerikas, ihrem „Hinterhof“ (die kenn ich aus erster und zweiter Hand). Die USA bemitleiden sich wegen 9/11, dass sie Chiles 9/11 (den Pinochet-Putsch) erst möglich gemacht haben, darüber reden sie nicht. Mir sind in den 80er die Kugeln und Granaten der Contra – dieser von den USA finanzierten Terrortruppe – in Nicaragua um die Ohren geflogen. Wer soll den USA glauben, dass sie den Terrorismus bekämpfen wollen, wenn sie schon immer ganz vorne mit dabei waren weltweit den Terror zu finanzieren? Ich kann es nicht. Der Kampf gegen den Terror, hat offensichtlich ein anderes Ziel.
Ob die USA die einzigen sind, die skrupellose Politik machen? Nein! Aber ich bin Deutscher und die „Freundschaft zu Amerika“ ist deutsche Staatsräson, nicht die Freundschaft zu Russland oder China. Und – dass ist an dieser Stelle besonders wichtig – es sind US-amerikanische Kommunikationsunternehmen – nicht russische oder chinesische – die für uns von Bedeutung sind. Das macht den Unterschied.
Die USA befinden sich in der schwersten Krise ihrer Geschichte. Spätestens seit 9/11 entwickeln sie sich zu einem Überwachungsstaat, der sich nicht viel um internationales Recht kümmert, der rücksichtslos gegen jeden vorgeht, der sich nicht unterwirft. Die USA haben den Kredit, den sie sich mit der Bekämpfung des NS-Regimes – gerade auch bei uns Deutschen – verdient haben, schon lange verspielt. Sie begehen im Namen von Freiheit und Demokratie Verbrechen ungeheuren Ausmaßes (Angriffskriege, Menschrechtsverletzungen jeder Art, Folter, Morde (u.a. durch ferngesteuerte Drohnen)…, sie lassen kaum etwas aus). Wir Deutsche machen uns mitschuldig durch unsere vorbehaltslosen Freundschaftsbekundungen, indem wir zulassen, dass die Killerdrohnen von Deutschen Gebiet aus gesteuert werden, dass von deutschem Gebiet aus der Irakkrieg koordiniert wurde, dass unsere Regierung Menschen wie Edward Snowden oder Julian Assange kein politisches Asyl anbieten. Wir machen uns mitschuldig, weil wir den angeblichen Kampf gegen den Terror, der jedes Mittel zu rechtfertigen scheint, (kritiklos) unterstützen.
Die politischen Reaktionen der Bundesregierung auf die Massenüberwachung und die gezielte Spionage zeigen, dass viele unserer politischen Verantwortlichen nicht verstehen (oder aber davon ablenken wollen), dass auch wir uns auf dem Weg in den Überwachungsstaat befinden. Wer meint, wir müssen uns damit abfinden und arrangieren, dass wir abgehört werden und wer meint, man müsse dann Gegenspionage betreiben, der glaubt Geheimdienste kontrollieren zu können. Die Vorstellung, es gäbe böse US-amerikanische Geheimdienste und gute deutsche Geheimdienste, die uns schützen, ist naiv. Man muss sich nur an die unbeantworteten Fragen erinnern, welche Rolle der Verfassungsschutz im Zusammenhang mit den Verbrechen der NSU gespielt hat.
Wenn unserer Regierung glaubt, Stärke gewinnen zu können, indem auch sie flächendeckend überwacht, Vorratsdaten anlegt und gezielt ausspioniert, dann unterschätzt sie die Gefahr, die daraus für unser Gemeinwesen entsteht. Der Verlust der Kommunikationsfreiheit ist der moralische Dammbruch, die nächsten Schritte zum totalitären Staat sind dann nur noch klein. Man könnte sich gelassen zurücklehnen und zuschauen wie die Überwachungsregime implodieren (wie die DDR), aber wir können nicht sicher sein, dass sie nicht explodieren. Die US-Aggressionen in der ganzen Welt deuten eher auf eine Explosion. Das Geschwätz deutscher Spitzenpolitiker von der „Wahrnehmung internationaler Verantwortung“, wofür man dann Kampfdrohnen anschaffen muss, lässt befürchten, dass die politisch Verantwortlichen in Deutschland bereit sind, sich in die Reihe der Täter einzugliedern (natürlich nur mit humanitären Zielen), damit wir die schützende Hand der USA über uns haben. Wieviel ist die schützende Hand eines Landes (der USA) wert, das sich nicht um internationales Recht kümmert? Vielleicht tun unsere Verantwortlichen dies auch nur deshalb, weil sie Angst haben, selbst Opfer US-amerikanischer Aggression zu werden. Wenn schon die Kommunikation der Kanzlerin abgehört wird, vielleicht eine gar nicht so unbegründete Besorgnis.
All das was ich geschrieben habe, ist – zugegeben – eine etwas verquere Weltsicht. Ein unvoreingenommener Blick über den Atlantik lässt daran keinen Zweifel: US-Amerika hat uns vieles gegeben und mit dem Internet schließlich die Infrastruktur der Freiheit geschenkt, mit der die Ideale demokratischer Mitbestimmung endlich verwirklicht werden können. Wie sind auf dem Weg (zurück) zu einer echten Demokratie – wie damals in Athen – geebnet durch die neuen Partizipationsmöglichkeiten der digitalen Infrastruktur: Das Netz der Freiheit lässt Diktatoren erzittern: Die Facebook-und Twitter Revolutionen in der arabischen Welt haben Unrechtsregime kollabieren lassen und der Freiheit zum Durchbruch verholfen. Danke Facebook! Danke Twitter! Danke Google! Die Großen der Internetwelt eröffnen uns den Zugang zum Wissen der Welt, sie verbinden uns mit unseren Freunden. Und das alles unter dem Motto: Don´t be evil! Ein Schelm wer Böses dabei denkt… aber wer nichts Böses tut, der hat auch nichts zu befürchten. Und das alles für fast umsonst! Nur die Erlaubnis alles mitzulesen und mitzuhören, zu verfolgen wo wir sind, zu wissen was wir mögen, mit wem wir uns austauschen, ist die Gebühr, die klammheimlich von unserem Konto abgebucht wird. Aber die einzelnen Abbuchungen sind so klein, dass man sie fast nicht bemerkt. Ganz im Gegenteil, man bekommt ja sogar noch Zinsen in Form einer besser zugeschnittenen Werbung. Und dass IT-Amerika die Daten dann gerne mit NSA und CIA und wie sie alle heißen „teilt“, dient ja nur unserer Sicherheit, dem Schutz vor organisierter Kriminalität und Terrorismus.
Der tatsächliche Preis ist aber deutlich höher: Die, die meinen uns alle im Namen von Demokratie und zum Schutz unserer Freiheit überwachen zu dürfen, sind die Totengräber der Demokratie. Sie nehmen sich das Recht uns alle zu Entrechten. Ich kann das nicht verhindern, aber ich will es ihnen etwas schwerer machen. Deswegen kein Facebook, kein Smartphone, kein Google…